Mit dem provokanten Slogan „Bürgergeld abschaffen“ wollen wir gesellschaftliche Debatten beeinflussen und wichtige Impulse setzen. Und zwar indem wir Vorurteile abbauen, die Lebensrealität junger Menschen sichtbar machen und politische Diskussionen anstoßen. Dazu haben wir im Oktober eine dreiwöchige Kampagne – primär auf Social Media – ausgespielt. Der Twist? Wir wollen natürlich nicht das Bürgergeld abschaffen, sondern die Teilnehmenden unseres Programmes durch die Vermittlung in Ausbildung dazu befähigen, für sich persönlich das Bürgergeld abzuschaffen.
Warum haben wir das gemacht?
In den Diskussionen rund um das Bürgergeld dominiert immer wieder das stereotype Bild von diesen „faulen“ und „arbeitsunwilligen“ Bürgergeldempfänger*innen. Eine ganze Gruppe Menschen wird dabei über einen Kamm geschert und es gibt keinerlei Differenzierung. Eine Realität, die ganz und gar nicht unserer täglichen Arbeit mit den jungen Menschen entspricht. Ganz im Gegenteil – die jungen Menschen, denen wir begegnen, sind motiviert und wollen arbeiten. Es fehlt Ihnen schlichtweg an einer Chance in den Arbeitsmarkt einsteigen zu können, da Ihnen auf Grund von Herkunft oder Lebenslauf Steine in den Weg gelegt werden.
Diese einseitige Darstellung prägt die öffentliche Meinung und beeinflusst sogar politische Entscheidungen. Gleichzeitig sehen wir einen gesellschaftlichen Rechtsruck, der Vorurteile, Anfeindungen und Diskriminierung verstärkt.
Mit der Kampagne wollen wir genau dem entgegenwirken. Wir geben jungen Bürgergeldbezieher*innen ein Gesicht und zeigen, wer sie wirklich sind. Welche Vorurteile bestehen ihnen gegenüber? Wie sieht ihre Realität aus? Und was sind ihre echten Herausforderungen auf der Suche nach einem Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz? Wir möchten die Debatte auf ihre Lebenswelten lenken. Deshalb war es uns wichtig, nicht über die Jugendlichen, sondern mit Ihnen zu sprechen. In Workshops wurden sie demnach eng in die Ausarbeitung der Kampagne eingebunden.
Wie haben wir das gemacht?
Wie generiert man in der heutigen Informationsflut Aufmerksamkeit für ein Thema? Genau: Mit einem provokanten Slogan. Auf den ersten Blick aneckend, um Neugier zu schaffen und somit den zweiten Blick auf die eigentliche Botschaft lenken zu können. In der ersten Woche der Kampagne, Phase 1, wurden Plakate ausgespielt, die Ähnlichkeit mit Wahlplakaten großer Parteien hatten. Der Slogan hierauf: “Bürgergeld abschaffen” und der dazugehörige Link führte auf die Landingpage buergergeld-abschaffen, welche weitere Informationen zur Kampagne bietet und Interviews mit den Jugendlichen beinhaltet.
Welche Message wollten wir senden?
Ziel der Kampagne ist es, den Diskurs auf konkrete und konstruktive Ansätze zu richten, die es den JOBLINGE-Teilnehmenden aber darüber hinaus allen jungen Menschen tatsächlich ermöglicht, perspektivisch unabhängig vom Bürgergeld zu werden. Es wurden Vorurteile aufgezeigt, mit denen die Jugendlichen fast tagtäglich konfrontiert werden. Diese reichen von der Reduktion auf das Äußerliche bis hin zu Rassismus oder dem Zuschreiben von vermeintlicher Faulheit. Entsprechend wünscht sich ein Protagonist der Kampagne namens Robin beispielsweise, dass er auf Grund von Tätowierungen nicht direkt in eine Schublade gesteckt wird oder dass Lücken im Lebenslauf nicht das ausschlaggebende Kriterium für eine direkte Jobabsage sind. Katharina spricht vier Sprachen, findet aber dennoch keine Ausbildung. Milena hingegen möchte nicht aufgrund ihrer Herkunft so behandelt werden, als käme sie vom Mars.
Wie das Feedback auf die Kampagne ausfiel?
Wir waren darauf vorbereitet, dass die Kampagne – insbesondere Phase 1 – verschiedenste Reaktionen auf unseren Social Media Kanälen hervorrufen könnte, da das Thema “Bürgergeld” emotional stark aufgeladen ist. Wir waren aber tatsächlich nicht auf die Menge an Kommentaren vorbereitet, die jenseits der Gürtellinie waren und jeglichen respektvollen Umgang vermissen ließen. Selbst unsere erfahrenen Social Media Manager waren überrascht und – wir sind ehrlich – schockiert. Gleichzeitig freuen wir uns auch über positive und reflektierte Kommentare und Diskussionen, die ebenso in den sozialen Netzwerken stattfanden.
Welche Learnings wir daraus gezogen haben?
Die Vielzahl der Reaktionen hat sehr deutlich gezeigt, wie wichtig eine differenzierte und faktenbasierte Berichterstattung über Bürgergeld ist. Begegnung schafft Empathie und Verständnis. Wir müssen als Gesellschaft verstehen, wer tatsächlich im Leistungsbezug ist und welche Schicksale und Geschichten dazu führen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!
Eine genau Auswertung der Kampagne finden Sie in unserer Impact Area. Weitere Informationen finden Sie hier auf der Landingpage zur Kampagne.
Die Kampagne wäre ohne Unterstützung nicht möglich gewesen. Allen voran danken wir den Jugendlichen, die den Mut aufgebracht haben mitzumachen – Robin, Katya, Marleen, Ismael, Abdullah und Milena!
Zum dritten Jahr in Folge hat die Agentur territory die Konzeption und Kreation der Kampagne übernommen. Ein Riesendankeschön an das Team!
Als Sozialorganisation besteht für eine Kommunikationskampagne kaum Budget, da es Förderungen in diesem Bereich nahezu nicht gibt. Und das, obwohl dies ein unglaublich wichtiger Teil unserer Arbeit ist. Denn: Ohne Aufklärung und Reichweite für das Thema gibt es keine Ausbildungsplätze, Spenden, Unternehmenspartner und politische Plattformen, um echte Veränderung herbeizuführen. Die Shanti Stiftung ist hier mit großartigem Beispiel vorangegangen und hat uns ermöglicht, diese Kampagne auf Social Media Plattformen mit Impact auszuspielen. Nochmal ein großes Dankeschön an dieser Stelle!